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veröffentlicht am 12.10.2020

Gedanken zum Rosenkranzmonat Oktober

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Oktober ist der sogenannte Rosenkranzmonat, d. h., dass wir insbesondere in diesem Monat zum Rosenkranzgebet eingeladen sind, in der Kirche oder auch zuhause. 

Dieses Gebet ist einigen sehr vertraut, anderen gar nicht, es wird geliebt oder gemieden, häufig auch durch andere Gebete ersetzt, z. B. in Verbindung mit einer Beerdigung. Letzteres ist selbstverständlich auch angemessen, keine Frage, dennoch möchte ich für das Rosenkranzgebet, das zunehmend verlorenzugehen scheint, ein wenig werben.  

 

Ein erster Gedanke: „Beten lernen im Mitbeten“. 

Es gibt Menschen, die bedauern, nicht beten zu können, weil sie es nie „gelernt“ haben. Andere stimmt es traurig, festzustellen, dass sie nur dann beten, wenn sie etwas brauchen, für sich oder für andere, ansonsten Gott gegenüber aber eher sprachlos sind. Und wieder andere bedauern es, dass sie sich Gott nicht so anvertrauen können, wie sie es bei anderen wahrnehmen. Es gibt also Menschen, die gern beten möchten und feststellen, dass es ihnen nicht wirklich gelingt. 

All denen sei gesagt: Nach vielleicht langer religiöser Sprachlosigkeit ist das Gebet nicht plötzlich möglich, nur weil man beten möchte. Und zudem kann Gebet nicht theoretisch eingeübt werden. Es muss vielmehr langsam und vor allem mit Hilfe anderer (neu) erlernt werden. 

Wie ein Kind bei seinen ersten Gehversuchen die Hand ausstreckt, um sich führen zu lassen, so bedürfen auch die „Gehversuche“ des Betens der helfenden und führenden Hand eines oder mehrerer Gebetsbegleiter. Gebet muss in Gemeinschaft erfahren werden. Und zugleich gilt, dass sich eine Gemeinschaft, die sich auch im gemeinsamen Gebet erfährt, tiefer verbunden weiß. 

So wichtig das ganz persönliche Gebet auch ist, so bewahrt das Gemeinschaftsgebet, wie es z. B. der Rosenkranz ermöglicht, vor einer egoistischen oder zumindest egozentrischen Einengung des Redens mit Gott und führt in eine viel größere Weite. Denn beim Beten geht es nicht nur um mich oder um den Einzelnen, sondern um viele oder sogar um alle Menschen! 

 

Ein zweiter Gedanke: „Die Wohltat der vertrauten Worte.“ 

Manchmal sind wir dafür dankbar, dass wir Gebeten begegnen, die sich in ungewohnten Formulierungen an den Fragestellungen unsere Zeit orientieren. Wir entdecken uns in unserer Lebenswelt wieder und denken vielleicht: Endlich ein Gebet, in dem ich vorkomme und ernstgenommen werde!

Trotz alledem sollten wir die alten Gebete mit ihren vertrauten Worten nicht übersehen oder gar als bedeutungslos abtun. Sie sind so etwas wie das „tägliche Brot“. Um es im Vergleich zu sagen: Torte schmeckt manchmal phantastisch, aber nur von Torte könnten wir nicht leben, wir brauchen das tägliche, ganz gewöhnliche Brot, das uns satt macht. Beim Beten ist das nicht anders, wir brauchen die Grundnahrung. 

Darüber hinaus haben (noch) vertraute Gebete meistens auch etwas mit unserer Biographie zu tun; mit unseren Erlebnissen als Kind, als Jugendlicher oder als Erwachsener, als gesunder oder kranker, glücklicher oder trauriger Mensch. Die unterschiedlichsten Situationen wissen viele von uns mit den altbekannten Gebeten (noch) zu verbinden. Und: Wir können sie gemeinsam mit anderen beten und diese Lebenssituationen mit ihnen teilen. 

Vertraute Gebete benötigen auch keine mühseligen Denkprozesse, weder das „Glaubensbekenntnis“ noch das „Vaterunser“ noch das „Gegrüßet seist du Maria“. Diese Grundgebete des Christentums, die ja auch die Grundgebete des Rosenkranzes sind, kommen uns durch große Einfachheit nahe und fordern nicht von jedem Beter eine absolute und ständige intellektuelle Wachheit. Der Rosenkranz kann so tatsächlich zur Wohltat werden. 

 

Und schließlich ein dritter Gedanke: „Die Meditation des Evangeliums“

Der Rosenkranz mit seinen vielen „Ave Marias“ ist zuallererst kein marianisches Gebet, sondern ein Gebet mit ausgesprochen christologischer Orientierung. Jedes „Gegrüßet seist du Maria“, das wir beten, hat ja seinen Höhepunkt in der Nennung des Namens „Jesus“. Und ergänzt werden dann im freudenreichen, schmerzhaften und glorreichen Rosenkranz Aussagen, die uns ganz verschiedene Lebensstationen Jesu vor Augen führen. Zu seinem Gedächtnis wird dieses Gebet gesprochen. 

Jeder, der den Rosenkranz schon mal gebetet hat, weiß darüber hinaus, dass diese Aussagen über Jesu Leben, die in jedem „Ave Maria“ hinzugefügt werden, gewöhnlich zehnmal gebetet werden. Insbesondere dadurch unterscheidet sich der Rosenkranz ja auch von anderen Gebeten. Diese zehnmalige Wiederholung der Grundworte des christlichen Glaubens will insbesondere dazu beitragen, dass es zu einer meditativen Begegnung mit IHM kommt, so dass wir nicht nur über Jesus sprechen, sondern uns mit ihm verbunden wissen. 

Und schließlich weist uns der Rosenkranz durch dieses zehnmalige Wiederholen auf das hin, was wir gerade heute brauchen: Zeit für das Wesentliche! 

Nutzen wir die Zeit und nehmen wir uns Zeit: Zeit, um still zu werden, Zeit für den Herrn, Zeit für uns. 

 | Manchmal meine ich, dass nicht ich diesen Rosenkranz, der sich gewöhnlich in meiner Hosentasche befindet, in meinen Händen halte, sondern, dass dieser Rosenkranz mich hält. (P. Pöttering)

Wie schon gesagt: Manchmal erfahren Menschen, dass ihnen das Gebet nicht (mehr) gelingen will. Und vermutlich tut sich jeder mal mit dem Beten schwer. 

Das Rosenkranzgebet ist sicher nicht die einzige Möglichkeit, sich dem Beten (wieder) zu nähern, aber mindestens diese drei angesprochenen Bereiche ermöglicht es: Beten lernen im Mitbeten. - Die Wohltat der vertrauten Worte erfahren. - Und die Meditation des Evangeliums. 

Manchmal meine ich, dass nicht ich diesen Rosenkranz, der sich gewöhnlich in meiner Hosentasche befindet, in meinen Händen halte, sondern, dass dieser Rosenkranz mich hält.

Pastor Ludger Pöttering